Israel VIII.

Nachdenklich sitze ich am Gate des Lyoner Flughafen und lausche der Unterhaltung einer Piloten Crew von British Airways, dessen Flug sich verzögert hat. Es herrscht Konsens – beide Piloten würden, wenn sie könnten, am liebsten jeden Morgen ihren Job kündigen. Traumjob Pilot oder Stewardess? Es ist nicht alles gold was glänzt. Auch ich wollte einmal Stewardess werden und die große weite Welt sehen. In diesem Moment muss ich schmunzeln und bin froh, dass ich einen anderen Weg eingeschlagen habe. Ob dies die bessere Entscheidung war wird sich noch herausstellen. Nach weiteren 20 Minuten Warten bis zum Boarding, folgen 2 Stunden Wartezeit bis der Flieger endlich gen Istanbul abhebt.

“Due to unexpected traffic at the Istanbul Atatürk airport we have a delay of approximately 2 hours.”

Selbst das kann meine Vorfreude nicht bremsen. Eines der schönsten Dinge am Reisen ist meiner Meinung nach die Vorfreude. Man macht Pläne und malt sich all die schönen Erlebnisse bereits vorher im Kopf aus und kann es kaum erwarten endlich anzukommen. Trotz der Vorfreude wird mir schnell klar, dass ich somit meinen Anschlussflug nach Tel Aviv vermutlich verpassen würde. Doch wozu aufregen oder nervös werden? Beeinflussen kann ich es im Endeffekt ja eh nicht.
Das Flugzeug ist komplett ausgebucht. Während wir auf den Istanbuler Flughafen zurollen verschaffe ich mir einen kleinen Überblick. Von außen betrachtet, 99% türkisch-stämmige, ich und, siehe da, zwei orthodoxe Juden, dank offensichtlicher Kleidung leicht erkennbar. Die Chance, dass ihre Reise in Istanbul endet ist angesichts der gegenwärtigen Anfeindungen gegenüber Juden in der Türkei nach dem erneuten Krieg im Sommer recht gering, weswegen ich schnurstracks zum zweiten Shuttle Bus laufe, in dem sie bereits warten. Ein älterer und ein jüngerer Mann, beide unterhalten sich auf Französisch. Sie lächeln mich an und gucken auf meine Boarding Karte die im Reisepass steckt.
“Ohh, Tel Aviv? Et.. ohhh…Deutschland…” stellen sie mit einem breiten Grinsen und starkem französischen Akzent fest. Sie sind mir direkt sympathisch. Beide tragen identische Kleidung bestehend aus einem weißem Hemd, schwarzem Kaftan, Tzitziot seitlängs runterbaumelnd und natürlich einem schwarzem Hut – dem Statussymbol der Ultraorthodoxen Juden. “Nous pouvons aller ensemble, tout va s’arranger!” entgegnet mir der Jüngere von beiden sanft lächelnd. Er gibt mir ein unglaublich beruhigendes Gefühl. Selbst wenn ich die Nacht am Flughafen verbringen würde, ich hatte zwei neue Freunde gefunden, und wir waren zusammen, alles würde gut werden!

Trotz der unzähligen Reisen nach Israel war dies erst das zweite Mal, dass ich Kontakt zu Ultraorthodoxen oder generell religiösen Juden hatte. Im Gegensatz zu den offensiv-dauer-flirtenden ‘Säkularen’ (besonders in Tel Aviv), sind diese nämlich größtenteils nicht wirklich auf Kontakt mit (nicht-jüdischen) Frauen bedacht. Bisher hatte ich sie meistens nur in der Gegend der Klagemauer in Jerusalem mit gesenktem Blick angetroffen. Die erste Begegnung jedoch war mir in positiver Erinnerung geblieben. Es war bei meinem allerersten Besuch Israels im Dezember 2012 am Flughafen, als ein ‘Pinguin’, wie sie so schön genannt werden, zu mir ankam um sich für das harsche Vorgehen der Sicherheitsleute bei mir zu entschuldigen und mich auf Jiddisch herzlich Willkommen zu heißen. Meine zwei neu erworbenen Freunde waren mindestens genauso freundlich und nach meinem Empfinden allzeit-optimistische gute Laune Menschen. Leider sprachen sie kein English, was die Kommunikation erheblich unterhaltsamer machte.

“Medaberet ivrit?” – Ksat.
“Parlez-vous français?” – Petit peu.

Ein Mix aus Hebräisch, Französisch, Händen und Füßen, so sollte es also sein. Raus aus dem Shuttle Bus und gefühlte 500 Menschen drängen sich in die Eingangshalle, jeder mit der Hoffnung schnellstmöglich einen Blick auf die Monitore mit den Anschlussflügen zu werfen. Aus 10 Meter Entfernung erspähe ich, dass auch der Anschlussflug nach Tel Aviv Verspätung hat und erst in 10 Minuten abfliegt. “Vite, vite!” Die darauf folgenden 10 Minuten hätte ich gerne auf Video festgehalten. Zwei offensichtlich orthodox-religiöse Juden sprinten mit einem offensichtlich nicht orthodox-religiösem Mädchen im Schlepptau vollbepackt durch den Istanbuler Flughafen auf der Suche nach dem richtigen Gate. Als wir vollkommen außer Atem endlich das Gate erreichen, wo die Crew schon ungeduldig auf uns wartet, entgegnet mir der Jüngere von beiden mit breitem Grinsen: “Amusement!” Ohja. Nach Luft ringend erwidere ich “Ken, eze kef!” Bei der darauffolgenden Unterhaltung stellt sich heraus, dass sie aus Frankreich kommen aber alle paar Monate nach Jerusalem fliegen um die Familie und Freunde zu besuchen. Sie bieten mir direkt an mich mit nach Jerusalem zu nehmen – tous ensemble – natürlich. Dankend lehne ich ab, da mein erster Zwischenstopp nördlich von Tel Aviv liegt. Sie sitzen zwei Reihen vor mir im Flieger. Bevor es losgeht drehen sich beide noch einmal um und winken mir zu. Einfach nur nett.

Die Ankunft in Tel Aviv hingehen, ist weniger nett. Jedes mal dasselbe Prozedere. Ich bin also vorbereitet auf jedwede Frage bezüglich meines jüdisch klingenden Nachnamens, meines sechsmonatigen Aufenthaltes in Istanbul, meiner Reise nach Jordanien oder anderer verdächtiger Details meines Lebens. Doch es wird von mal zu mal schwieriger. Denn wer als nicht-jüdischer Tourist zum achten Male innerhalb von zwei Jahren nach Israel reist, selbst in Kriegszeiten, gilt generell schonmal als SEHR verdächtig. Und somit folgt auch bei dieser Einreise wieder eine halbstündige Rechtfertigungsshow meinerseits, in der ich versuche glaubwürdig darzulegen welch gute Gründe ich habe erneut nach Israel zu reisen. Strand und Wetter reichen da nicht als Argumente. Obwohl mich die übermüdete, leicht-aggressive Dame am Reisepass Kontrollschalter anweist nach 3 Wochen wieder auszureisen, bekomme ich dennoch ein Visum für 3 Monate – yesh!

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